Umkehren erlaubt – doch wir kommen wieder, lieber Teysachaux!
Fast schon etwas grimmig drehe ich den Kopf zurück und blicke auf das Kreuz auf dem Gipfel des Teysachaux FR. Der Lichterprinz und ich haben ihn nicht erreicht. Aber wir kommen wieder, im nächsten Sommer, versprochen! Und ich konzentriere mich darauf, dass ich eben einen sehr vernünftigen Entscheid gefällt habe – und wie gut das ist.
Gerlinde Kaltenbrunner hätte wohl ebenso besonnen entschieden. Die Profikletterin erreicht auch nicht jeden Gipfel im ersten Anlauf, und sie muss ja nur für sich schauen, nicht noch für ein Kind. Auch muss sie kein Kind auf den Gipfel schleppen. Mit diesen Gedanken im Kopf kühle ich mich etwas ab.
Zugegeben, so schlimm war mein Umkehren nicht. Der vierjährige Lichterprinz hatte schon lange geklagt, dass er mal müsse: In die Windel machen wollte er nicht, auch nicht irgendwo im Freien. Da bleibt er konsequent, es muss ein WC sein. Ist ja auch beruhigend, dass er die Windel nicht mehr angenehm findet.
Beim Aufstieg hatte ich den 15 Kilogramm schweren Buben in der Rucksacktrage, die somit insgesamt über 20 Kilo wog. Einen Teil des Rucksackinhaltes hatte ich noch unten am Berg hinter Felsen deponiert, da der Rückweg der gleiche ist. Diesen Ballast hatte ich ja schon vom Moléson bis an den Fuss des Teysachaux geschleppt, eine einfache Familienwanderung über einen breiten Grat mit Hammeraussicht auf Berge und Nebelmeer.
Keine Freude am bevorstehenden Abstieg
Nun stand ich also am Berg, im etwas steilen, steinigen Hang. Der Weg erforderte, ein paar etwas höhere Felsblöcke zu erklimmen. Kleinere Kinder können diese gut mit Hilfe der Hände und etwas Konzentration meistern. Irgendwie merkte ich aber, dass mich das Gewicht zu sehr drückte und es mir einfach keinen Spass mehr machte, diese Hürden zu meistern. Und dann lag ja noch der Abstieg vor mir, der dann viel Vorsicht fordern würde. Der im Schatten liegende Teil des Weges war etwas frostig, eine Hinterlassenschaft der Novembernächte. Kurz: Der Gedanke an den Abstieg machte mir keine Freude. So ich beschloss, es sein zu lassen, und kehrte um. Der Lichterprinz fand das gut, er freute sich, bald aus seiner misslichen Lage befreit zu werden.
Ein neuer Plan
Auf dem Rückweg macht die Umkehr meinem Ehrgeiz noch etwas zu schaffen, auch wenn ich einigen anderen Wandern mit vorgespielter Lockerheit erkläre, dass sie selbstverständlich logisch und ein Erreichen des Gipfels nur zweitrangig ist. Der Lichterprinz ist so erleichtert, dass er nach einer halben Stunde in der Rucksacktrage – seelenruhig einschläft!
So geniesse ich noch etwas die Sonne, setze mich in eine Wiese und mache Lockerungsübungen, um meine Schultern zu entspannen. Der Nebel unten im Tal ist immer noch faustdicht und es tut mir gut, all diejenigen zu bemitleiden, die da unten schmoren. Und ich poste gleich einige Sonnenbilder auf Instagram.
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Derart erleichtert wandere ich entspannt zurück Richtung Moléson. Der Lichterprinz erwacht auch bald wieder und ich verspreche ihm gut gelaunt ein Eis, stelle dafür nicht einmal mehr die Bedingung, dass er selber wandern muss. Weshalb er mir dankbar die letzte Viertelstunde den Kopf mit irgendwelchen erfundenen Geschichten vollquasselt. Bald sitzt er glaceschleckend in der Beiz.
Er weiss ja noch nicht, dass sein Papa bereits einen neuen Plan gefasst hat. Denn ein Gipfel ist an diesem Tag ja noch machbar: der Moléson. Seine Besteigung dauert zwar nur fünf Minuten, und der Weg ist breit und voll mit Tagestouristen in Turnschuhen, die eben aus der Seilbahn ausgestiegen sind. Aber Gipfel ist Gipfel – darüber diskutiere ich an diesem Tag nicht.
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