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Weniger Last, mehr Lust
Mit leichter Ausrüstung wandert es sich besonders angenehm. Wer Gewicht reduziert, spart gleichzeitig auch Energie und senkt Unfallrisiken. DAS WANDERN erklärt sinnvolle Strategien, um bei der Wanderausrüstung Gewicht zu sparen, und zeigt ausgewählte Lightweight-Produkte.
24.05.2024 • Text: Hanna Bär, Jürg Buschor / Outdoor Content Hub, Bilder: zvg
So viel wie nötig, so wenig wie möglich: Die leichte Ausrüstung erlaubt sogar Luftsprünge.
Leichter ist immer besser – das gilt ganz besonders beim Wandern. Die Rechnung ist denkbar einfach: Alles, was nicht den Berg hinauf und wieder hinabgetragen werden muss, spart Energie. Rund 320 kcal pro Stunde beträgt der Energieverbrauch beim Wandern im ebenen oder hügeligen Gelände. Je alpiner die Tour, desto mehr Energie wird benötigt. Etwa 100 bis 150 kcal werden pro 100 Höhenmeter zusätzlich benötigt – das Zusatzgewicht von Ausrüstung nicht mit eingerechnet. Für die Berechnung des individuellen Energieverbrauchs beim Wandern spielen das Alter, die Körpergrösse, das Eigengewicht sowie die Gehgeschwindigkeit genauso so eine Rolle wie das Gesamtgewicht der Ausrüstung.
Unfälle vermeiden
In anderen Sportbereichen wird versucht, sich genau dies zunutze zu machen, etwa beim Kraftsporttraining mit Gewichtsweste. Der erhoffte Effekt: ein forderndes und effektiveres, aber auch ermüdendes Training. Beim Wandern in den Bergen muss jedoch immer bedacht werden, dass eine Wanderung häufig nicht auf halber Strecke abgebrochen werden kann und eine vorzeitige Ermüdung aus Sicherheitsgründen vermieden werden sollte.
Gerade Stolpern und Umknicken zählen zu den häufigsten Ursachen für Verletzungen beim Wandern. In der Schweiz verunfallen gemäss der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) jährlich rund 37 000 Wandernde und Bergwandernde, davon 2014 schwer. «Das Gewicht der Ausrüstung ist einer von vielen Einflussfaktoren, die eine frühzeitige Ermüdung begünstigen können», führt die BFU aus. Andere Faktoren wie Fitness, Können, Pausen, Wetter und Verhältnisse vor Ort sowie die Schwierigkeit und Länge der Tour spielen ausserdem eine Rolle.
Auch die Höhe, in der man wandert, ist von Bedeutung: Mit zunehmender Höhe sinkt der Luftdruck, und damit auch der Sauerstoffpartialdruck – die Luft wird sprichwörtlich dünn. Die Folgen: Man muss häufiger einatmen, um die gleiche Menge Sauerstoff für die Muskeltätigkeit zu bekommen. Die Bewegung wird gefühlt anstrengender, man ermüdet schneller.
Heikles Bergabgehen
In einer Studie der Universität Innsbruck zum Thema «Risikofaktoren für Stürze beim Wandern» wurden eine schnelle Ermüdung durch die hohe Belastung beim Bergabgehen sowie ein erhöhter Körperschwerpunkt durch das Tragen eines schweren Rucksacks als mögliche Faktoren genannt. Jedes Gramm, das nicht im Rucksack getragen wird – sei es das Eigengewicht des Rucksacks oder auch dessen Inhalt –, macht sich also gerade gegen Ende der Tour beim Abstieg bemerkbar. Dann kann die Belastung der Beine sowie der Hüft- und Kniegelenke durch die Verwendung von Stöcken reduziert werden – je nachdem, wie viel Gewicht auf die Stöcke verlagert wird. Natürlich haben die Stöcke wieder ein zusätzliches Gewicht, das – wenn man nicht auch beim Aufstieg ständig mit den Stöcken geht – am Rucksack getragen werden muss. Generell lautet die Regel für das Rucksackgewicht: Maximal ein Drittel des eigenen Körpergesichts sollten mitgetragen werden, besser nur ein Viertel.
Die Empfehlung der BFU für die mitgeführte Ausrüstung lautet: «So viel wie nötig, so wenig wie möglich.» Sicherheitsrelevante Ausrüstung sollte also nicht aus Gründen der Gewichtsersparnis zu Hause gelassen werden. Im Zweifelsfall lieber eine leichte Wetterschutzjacke in den Rucksack stecken als ganz darauf zu verzichten. Denn das Wetter kann in den Bergen schnell umschlagen. Und auch bei der Wahl der Schuhe ist ein geringes Gewicht nicht allein ausschlaggebend. Studien aus dem Laufschuhbereich haben gezeigt, dass neben dem Gewicht vor allem die Dämpfung und das Abrollverhalten eine Rolle für die muskuläre Ermüdung spielen. Beim Wandern dürfte es ähnlich sein, jedoch muss auch die Sicherheit berücksichtigt werden: Je nach Art des Wanderweges sollen Schuhe mit geeigneter Sohle gewählt werden. Für gelbe Wege empfiehlt die BFU leichte Wanderschuhe, für weiss-rot-weisse Wege Bergwanderschuhe und für weiss-blau-weisse Wege Berg- oder Alpinwanderschuhe.
Smarte Produktwahl
Gerade bei den Schuhen hat sich hinsichtlich Gewichtsreduktion in den letzten Jahren viel getan. Einerseits dank der Verwendung von neuen Materialien, andererseits durch Weiterentwicklungen. So mancher Hersteller hat sich ganz bewusst die Frage gestellt, wie viel Torsionsfestigkeit, Dämpfung und Stützfunktion ein Wanderschuh wirklich braucht. Denn wenig überraschend – ein Mehr an Stützfunktion zieht fast immer mehr Gewicht nach sich.
Deshalb sollte man den «Faktor Mensch» zwingend in die Gleichung mit einbeziehen. Sehr erfahrene und trittsichere Wandernde mit gut trainierten Muskeln und Bändern können auch mit mehr Gepäck am Rücken einen leichten, wenig stützenden und wenig torsionsfesten Schuh wählen, ohne dass sie dabei unverhältnismässige Risiken eingehen. Selbstverständlich kann man diese Strukturen auch gezielt trainieren, indem man regelmässig mit sogenannten Barfussschuhen geht.
Ist leichter gleich weniger robust?
Der Grundsatz, wonach ein sehr tiefes Gewicht Kompromisse hinsichtlich Robustheit erfordert, ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen – natürlich gibt es auch zahlreiche Beispiele, die das Gegenteil beweisen. Bei Produktkategorien wie Wetterschutzjacken oder Rucksäcken wählen die Hersteller unterschiedliche Strategien, um Gewicht zu sparen. So gibt es mittlerweile dreilagige Hardshelljacken, die weniger als 100 Gramm wiegen. Deren Oberstoffe sind allerdings fast schon so dünn wie Papier, was sich mit dem Tragen eines Rucksacks schlecht verträgt, weil dessen Träger auf der Jacke scheuern. Solche Jacken dienen bestenfalls zur Not, Langlebigkeit darf man von einem solchen Produkt nicht erwarten.
Der zweite Weg ist das bewusste Weglassen von Detaillösungen. Bei Leichtgewichtsjacken findet man selten Unterarmlüfter, die Anzahl der Taschen ist reduziert, und manch ein Hersteller konfektioniert statt eines durchgehenden Frontreissverschlusses nur einen kurzen Zipper, sodass die Jacke als «Schlupfer» funktioniert. Beim Rucksack wird auf eine komplexe Fächeraufteilung und oft auch auf dicke Polstermaterialien verzichtet. Auch hier können dünnere und weniger robuste Textilien viel Gewicht sparen.
Schicht für Schicht
Bei den Trekkingstöcken spart am meisten Gewicht, wer eine fixe Länge wählt. Dies mit dem Nachteil, dass die Stöcke bei Nichtgebrauch nicht einfach an den Rucksack geschnallt werden können, aber mit dem Vorteil, dass sie trotz tiefem Gewicht sogar noch robuster sind als ihre faltbaren Pendants.
Das sogenannte Zwiebelprinzip hilft nicht nur dabei, dass man in der persönlichen Komfortzone bleibt, sondern erspart auch viel Gewicht. Schicht für Schicht – vom dünnen T-Shirt, der isolierenden Zwischenschicht bis zur Wetterschutzlage – ist immer die beste Wahl. Genauso praktisch wie gewichtssparend sind beispielsweise Wanderhosen, bei denen die Beinlinge per Reissverschluss entfernt werden können, wenn die Temperaturen steigen.
Umfassende Strategien wählen
Bei alldem sollte man nie vergessen, dass man nicht ausschliesslich bei der Ausrüstung Gewicht sparen kann. Es bringt wenig, wenn ich bei der Wetterschutzjacke für teures Geld 50 Gramm einspare und gleichzeitig drei Liter Wasser buckle. Vielleicht reicht ja auch eine Einliterflasche, die ich regelmässig an Brunnen neu befülle. Oder ich stecke mir einen 49 Gramm leichten Wasserfilter in den Rucksack, mit dem bedenkenlos aus jedem Bach oder Bergsee getrunken werden kann. Auch beim Essen lohnt sich die Überlegung, welche Lebensmittel am meisten Energie pro Gramm liefern. Oder man macht es sich noch einfacher und plant die Verpflegung in einem der unzähligen Beizli ein, welche die Schweizer Wanderwege säumen. Welche Strategie auch immer Sie wählen – befreit von unnötigem Gewicht, wandert es sich mit Sicherheit besonders angenehm.
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